Buchempfehlung: Das TMT-Buch

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Dieselpower
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Buchempfehlung: Das TMT-Buch

Beitrag von Dieselpower »

Eine ganz andere Art des Eisenbahnbuches ist nun im Mainzer "Laut und Gleise"-Verlag erschienen.
Das TMT-Buch - Mit dem Tramper-Monats-Ticket durch die Bundesrepublik der 80er - Jugenderinnerungen an Nebenbahnen und Altbaufahrzeuge
ISBN 978-3-9817307-2-2

Schon der Einband des A5-quer-Buches weckte mein Interesse: Eine Collage aus Fahrkarten (TMTs), Bremszettel, Kursbuch, Prospekten und den einschlägigen Bildmotiven (111, 798...) sprach mich sofort an.
Auf der Rückseite ist die Anschrift eines Mitteleinstiegswagens mit unter dem Langträger hervorschauenden Beinen dreier Reisender auf einer dahinter stehenden Bank zu sehen.

Neben zahlreichen fotografischen Evergreens und durchaus in der Szene bekannten Fotopunkten wecken auch die Erzählungen der Zeitgenossen längst eingestaubte Erlebnisse am eigenen Leib wieder auf...."Holt man sich für das letzte Geld noch zwei Cheeseburger oder das Liegewagenticket im Nachtzug "Luna"?"

Das Buch ist eine Zeitmaschine, das einen um Jahrzehnte in die gute alte Zeit zurück katapultiert. Man sollte überlegen, ob man es gediegen im Sessel bei einem Single Malt verschlingen sollte, oder lieber doch auf einer harten Bahnhofsbank mit dem Standardmenü Erdnußflips und Cola....authentischer ist letzteres... ;)

Aber Vorsicht - ich glaube, es ist kein Buch für Menschen, die das nie gemacht haben...
„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
Albert Einstein
"Ich bin, wie ich bin. Die einen kennen mich, die anderen können mich...!"
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Günter T
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Re: Buchempfehlung: Das TMT-Buch

Beitrag von Günter T »

Hallo,

ich kann mich der Empfehlung nur anschließen; habe das TMT im Frühjahr 1979 genossen.
Das Buch bringt beim Lesen das damalige Freiheitsgefühl beeindruckend zurück.

Es grüßt
Günter
Bild
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Holger Schäfer
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Re: Buchempfehlung: Das TMT-Buch

Beitrag von Holger Schäfer »

Danke für den Hinweis. Wird morgen beim Händler des Vertrauens bestellt.

Hier noch ein Podcast zum Thema
https://www.ardaudiothek.de/abenteuer-e ... t/85767002

Dumm war, dass ich im November 1989 das letzte TMT kaufen konnte :cry:
Gruß aus dem Lahntal

Holger
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Dieselpower
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Re: Buchempfehlung: Das TMT-Buch

Beitrag von Dieselpower »

Das TMT war Freiheit ohne Ende, das Kursbuch eine taktische Waffe, um überfüllten Zügen (auch die gab es vereinzelt) aus dem Weg zu gehen.

Aber es gab auch Geheimwaffen: Der über Nacht nordwärts fahrende D 285 (oder auch 1322) Ancona - Dortmund ließ in den 80ern München Hbf "links liegen", und verkehrte über München Ost, der war häufig fast leer, und eine gute Gelegenheit, heim zu fahren, wenn der Nachttramper-Liegewagen mal wieder voll war. Dann kam das Eingangs erwähnte Zitat zum Tragen, und die 4,- DM standen für eine fürstliche Abendmahlzeit beim amerikanischen Schnellimbiß zur Verfügung.
Man wachte in den damals "überaus gepflegten" FS-Wagen schon mal mit der Wange am Kunstleder klebend auf, aber das war egal, zu Hause wurde ja eh gleich in die Wanne gestiegen, die Pläne für die Wiederabreise am Folgeabend telefonisch abgeglichen, ein paar Getränkedosen (ohne Pfand) eingekauft, und neue Butterbrote geschmiert. Und um 18 Uhr wurde den Eltern wieder "Tschööö, bis Übermorgen!" gesagt, und grob die geplante Reiserichtung beschrieben. Wurde hiervon mal spontan abgewichen, wurden selbstverständlich 2 Groschen für eine kurze Mitteilung von unterwegs geopfert (Bei Ferngesprächen für 60 Sekunden ausreichend), man wollte das Vertrauen der Eltern ja nicht enttäuschen. 18:23 Uhr war in der Regel meine City-Bahn, um früh genug für die ersten Reisemöglichkeiten am Kölner Hbf zu sein.
Einmal nutzten wir die ganz geheime Geheimwaffe für Experten, und nahmen den ExprIC nach München, der außer im Postkursbuch nicht veröffentlicht war - oder eben im "Zugbildungsplan Ar". Mit bis zu 200 km/h katapultierte die 103 mehrere Postmrz, aber auch 3 Bm 235 im Nachtsprung nach München, die luden eigentlich zum Schlafen ein mit ihren orangenen Federkernsesseln, aber auf den wenigen Haltebahnhöfen das Postgeschäft zu beobachten war auch hochinteressant, weil nicht alltäglich...und so war man morgens - z.T. noch vor den Nachtschnellzügen, die man irgendwo überholt hatte - in München bei Sonnenaufgang...

Jetzt habe ich - fast wie in einen Automatismus verfallen - auch ne kleine Story zusammengetippt. Das Buch ist echt etwas wie ein Film, den man immer gern aber irgendwie schon seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat...wie Spielberg's Erstlingswerk, den Low-Budget-Film "Duell" z.B.... :wink:
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Günter T
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Re: Buchempfehlung: Das TMT-Buch

Beitrag von Günter T »

Hallo,

ja TMT war die totale Freiheit; ich war damals nicht liiert und wohnte auch noch bei den Eltern. Da ist man schon mal 4 bis 5 Tage - ohne Lebenszeichen - abgetaucht. Eigentlich war das im positiven Sinne auch eine totale Rücksichtslosigkeit, die ich so nie wieder ausleben durfte.

Im Mai 1979 fotografierte ich spätabends noch im Regensburger Hbf, als mir nach 20.30 Uhr bewusst wurde, trotz Voranmeldung noch nicht in der DJH erschienen zu sein. Kurz nach 21 Uhr war dort schon alles dunkel. Ich klingelte - im oberen Stockwerk ging das Licht an und ein missmutiger Herbergsvater erklärte schroff, ich käme nicht mehr rein. Frech antwortete ich: "Dann schlafe ich halt im Schnellzug." Das ließ er sich dann doch erklären und öffnete mir sodann.
Im Schlafraum - ich war wohl der Einzige - schaute ich noch in mein Kursbuch, das immer dabei war, ob meine "Drohung" realistisch gewesen wäre. Ja, D 226 (Regensburg 21.33 - Dortmund 7.22) hätte mich nicht im Stich gelassen. :D

Im Schnellzug Richtung Hof fragte mich ein Kontrolleur nach meinem Fahrtziel. Ich antwortete wahrheitsgemäß: "Das weiß ich noch nicht." Irritiert wies er mich "Orientierungslosen" darauf hin, dass der Zug in die DDR fahre. :shock: Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich nicht selten spontan ausstiege, wenn es mir interessant erscheine. Kopfschüttelnd, aber lächelnd, wünschte er mir eine gute Fahrt.

Super waren auch die damals vielen Abteilwagen, die tolle Kontaktmöglichkeiten boten. Ich war ja sichtbar noch Student und quatschte unbefangen Jedermann*in an. Mit meinem Kursbuch in der Hand war ich sowieso König.

Eine schwäbische Dame tuschelte mir einmal nach meinen schlauen Erläuterungen zum Bahnwesen zu: "Sie sind doch bestimmt von der Revision?" Ich setzt gleich eine betroffene Miene auf und antwortete Ihr leise: " Wie haben Sie das herausgefunden? Ich mache das als Studentenjob und sammle auch Bildmaterial." Die Dame lächelte überlegen und fing gleich an, Schwänke aus ihren Bahnerlebnissen preiszugeben. Sie wunderte sich aber wohl, dass ich nicht mitschrieb. ... :)

Und bei Bahnbediensteten kam der folgende Ausweis erstaunlicherweise immer gut an - ich hatte überall Zutritt und stieß auf Vertrauen. 8)

Bild


Ja, auch ich hätte mit meinen Erlebnissen ein eigenes Buch füllen können. Mir kommt es vor, als wäre das erst letztes Jahr gewesen - so präsent sind die Erinnerungen.

Hier ein Link zu Probeseiten: https://www.lautundgleise.de/?page_id=291

Es grüßt Euch
Günter
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