Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 80ern?

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Steffen
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Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 80ern?

Beitrag von Steffen »

Hallo,

eine Frage an die altgedienten Experten:

In den 80er-Jahren gab es einen Unfall zwischen einem im Arbeitsdienst eingesetzten Turmtriebwagen (TVT) und einem Güterzug im Bahnhof Bingerbrück. Dieser ereignete sich direkt auf bzw. kurz vor der Nahebrücke. Dabei lief sogar Öl (Kokosöl) aus einem Kesselwagen in die Nahe wozu die Berufsfeuerwehr Mainz mit ihrem AB-ÖL alarmiert wurde.

Bei diesem Unglück kam einer der Arbeiter des TVT ums Leben. Die Strecke war mehrere Stunden bis zum darauf folgenden Tag gesperrt und alle Züge großräumig umgeleitet.

Kennt jemand hierzu weitere Details, das Datum oder hat gar Bilder davon?

Mir ist dieser Vorfall bislang völlig unbekannt gewesen.

EDIT: 80er-Jahre wurden inzwischen bestätigt.
Zuletzt geändert von Steffen am Fr 7. Feb 2014, 12:05, insgesamt 2-mal geändert.
Viele Grüße
Steffen
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Markus Göttert
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Re: Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 70ern?

Beitrag von Markus Göttert »

Ich hab die Bilder noch vor mir.

Das müsste aber in den 1980 gewesen sein.
Der TVT lag auf der Seite.
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Steffen
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Re: Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 70ern?

Beitrag von Steffen »

Markus Göttert hat geschrieben:Ich hab die Bilder noch vor mir.

Das müsste aber in den 1980 gewesen sein.
Der TVT lag auf der Seite.
Ok, beim Zeitpunkt kann sich mein Kollege natürlich etwas vertan haben.
Viele Grüße
Steffen
eddi2
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Re: Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 80ern?

Beitrag von eddi2 »

Deine Infos sind korrekt.
Ich habe ab Sommer 1984 im Feuerwehrhaus (gegenüber Lokschuppen, jetzt Estw) gewohnt und hatte vom Arbeitszimmer aus freien Blick auf die Gleise.
Irgendwann nachmittags gab es einen lauten Rumms und man sah nur hinter der ehem. Kantine eine große Staubwolke und das ein Güterzug auf der Nahebrücke zum stehen gekommen war.
Der TVT ist aus seinem Abstellgleis heraus und als Flankenfahrt in den von Koblenz her kommenden Güterzug rein gefahren.
Der Tf-führer konnte sogar noch abspringen, ist aber tragischerweise auf der falschen Seite raus und lag dann unter dem umgekippten TVT.
Er lebte wohl sogar noch, da die Hilfskräfte den Pfarrer herbeiriefen, der ihm die letzte Ölung verabreichte, ist dann aber an seinen schweren Verletzungen verstorben...
Dieselschrauber
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Re: Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 80ern?

Beitrag von Dieselschrauber »

Hallo.
Hier das Datum der Flankenfahrt auf der Nahebrücke. 19.09.1986 ca 12:15 Uhr.
Zug 71319 mit Lok 140 194 und TVT des Bw Mainz.140 mit beiden Drehgestellen
entgleist und 1 Wagen mit 1 Drehgestell entgleist, TVT umgestürzt .
Gruß J.Th
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Steffen
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Re: Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 80ern?

Beitrag von Steffen »

Inzwischen konnte ich einige Bilder von meinem Kollegen erhalten.
Diese werden bald auch auf nahebahn.de eingestellt.

Beim Datum nannte er nach Einsicht in die Unterlagen den 01.08.1985. somit haben wir jetzt schon einige verschiedene Daten genannt bekommen. Ich würde dann auch eher darauf vertrauen.

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Viele Grüße
Steffen
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Steffen
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Re: Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 80ern?

Beitrag von Steffen »

Ich habe mal schnell in das Heft "DB VOR 25 Jahren - 1985" geschaut. Dort ist der Unfall nicht aufgeführt. Falls jemand mal bei 1986 nachsehen könnte, würde das das Datum endgültig klären.

Stutzig machte mich, dass im zitierten DB Bericht steht "Güterwagen mit einem Drehgestell entgleist". Auf dem letzten Bild ist dieser komplett entgleist und in der Nahe gelandet...
Viele Grüße
Steffen
Horst Heinrich
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Re: Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 80ern?

Beitrag von Horst Heinrich »

Hallo zusammen, ich möchte zu diesem Unfall als Augenzeuge der Geschehnisse noch folgendes ergänzen:
Beim Jahr bin nicht mehr ganz sicher, 1989 (wie in der Feuerwehrchronik vermeldet) stimmt eher nicht, bei 1985 oder 1986 bin ich mir ebenfalls nicht ganz sicher, könnte aber eher passen.
Ich kann noch etwas Tragisches aus erster Hand beisteuern.
Um den TVT-Lokführer Albin Zinser (48 Jahre alt, er stammte aus Münster-Sarmsheim), der eingeklemmt unter dem TVT lag, doch noch zu retten, erwog man, einen Straßenkran herbeizubeordern, da der Schienenkran zu lange brauchte (80 km/h ab Mannheim, dann weiter über Hochspeyer und Bad Kreuznach nach Bingerbrück, denn die Zufahrt über die Rheinstrecke war durch die entgleiste Güterzuglok blockiert).
Die Firma Riga aus Mainz wurde in Marsch gesetzt. Dann stellte man fest, daß die K 8 zwischen Bingen und Bf Bingerbrück nur für Fahrzeuge bis 12 Tonnen zugelassen war, denn zu dieser Zeit war die Straße, die noch aus dem Jahr 1951 stammte, extrem sanierungsbedürftig (die Sanierung erfolgte dann ein paar Jahre später).
Niemand von den Verantwortlichen bei der Kreisverwaltung (es handelt sich bei der Nahebrücke um eine Kreisstraße) wollte für eine Ausnahmegenehmigung den Buckel hinhalten, der leitende Baudirektor von der Straßenmeisterei hatte sogar die Befürchtung, die Brücke könne wirklich zusammenstürzen, wenn der 40-Tonnen-Kran darüber fährt.
Dann sollte der Riga-Kran von oben, also Bingerbrück/Rupertsberg zugeführt werden.
Doch auch die dortige Eisenbahnüberführung (Herterbrücke) hatte nur eine eingeschränkte Traglast, auch hier wollte keiner eine Ausnahmegenehmigung unterschreiben.
Der Einsatzleiter der Binger Polizei, (er ist übrigens vor ein paar Jahren mit nur 51 Jahren verstorben)
regte diese fehlende Tatkraft der "Büroärsche" derart auf, daß er per Funk einen Kollegen auf der Wache bat, die Bild-Zeitung anzurufen, damit diese über die unterlassene Hilfeleistung berichtet. Zuvor hatte er sogar noch den Chef der Binger Straßenmeisterei, der ihn anschnauzte, an der Krawatte gepackt und ein paar cm hochgehoben. Der sehr couragierte Beamte war für seine handgreiflichen Problemlösungen übrigens weit über die Grenzen Bingens bekannt.
Mitten in diese Auseinandersetzung kam dann die Meldung, Albin Zinser sei verstorben. Er hatte nach dem Unfall unglaubliche 40 Minuten eingeklemmt unter dem TVT überlebt.
Es war sogar noch geplant, seine Frau von zuhause abzuholen und zum Unfallort zu bringen, ob sie es noch geschafft hat, ihren Mann lebend zu sehen, kann ich nicht mit Gewißheit sagen.
Die fehlende Erreichbarkeit des Bingerbrücker Bahnhofs mit schweren (Rettungs-)Fahrzeugen war noch viele Jahre lang eine weitgehend von DB und anderen Behörden ganz bewußt verschwiegene und tolerierte Angelegenheit.
Erst mit der Sanierung der beiden Brücken im Zuge der Kreisstraße 8 war dieser Mißstand beendet.
SOLANGE NICHT DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ EINE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ERWIRKT UND SIE MIR PERSÖNLICH AN DER HAUSTÜR ÜBERREICHT,BLEIBE ICH BEI DER ALTEN RECHTSCHREIBUNG.
eddi2
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Re: Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 80ern?

Beitrag von eddi2 »

[quote="Horst Heinrich"]
Beim Jahr bin nicht mehr ganz sicher, 1989 (wie in der Feuerwehrchronik vermeldet) stimmt eher nicht, bei 1985 oder 1986 bin ich mir ebenfalls nicht ganz sicher, könnte aber eher passen.

Ich würde auch eher auf 1985/86 tippen.
Horst Heinrich
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Re: Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 80ern?

Beitrag von Horst Heinrich »

Inzwischen habe ich nochmal etwas recherchiert und telefoniert, die Hinweise auf den 19.September 1986 verdichten sich.
Es war ein sehr heißer Tag, das Palmfett, das der Güterzug geladen hatte, und das teilweise in die Nahe floß, stank erbärmlich. Da man aus Richtung des Rheines den umgestürzten Triebwagen wegen fehlender Anfahrtsmöglichkeit nicht absichern oder wieder aufrichten konnte hatte die Feuerwehr wegen der immensen "Schlagseite" die ernste Befürchtung, der TVT könne sich komplett auf die Seite legen. Die Helfer für Albin Zinser arbeiteten also unter permanenter Lebensgefahr.
Soweit ich noch weiß, hatte der TVT-Lokführer den Triebwagen aus der Abstellung vorgezogen und war dabei unerklärlicherweise über das Grenzzeichen gefahren.
Auf dem Luftbild im Verlauf dieses Beitrages kann man den Fahrweg des TVT erahnen, (1.Gleis links vom Parkplatz),am Bildrand unten Mitte ist noch die gelbgetünchte Halle zu sehen, in der oder vor der er oft stand.
Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube, dieses Gleis war nicht über ein Hauptsignal bzw. Indusi abgesichert.
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Dieselpower
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Re: Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 80ern?

Beitrag von Dieselpower »

Sofort bin ich ins Archiv, und habe Ritzau's Unfallchronik hervorgekramt - Es WAR der 19.9.86, dort liest es sich so:
Zitat: "19.9.1986, Bingerbrück, Str Koblenz - Mainz; der Fahrer eines Turmtriebwagens, der nach kleinen Wartungsarbeiten an der Oberleitung umsetzen sollte, überfuhr ein Haltsignal, und kam im Hauptgleis auf der Nahebrücke zum Halten. Ein durchfahrender G zertrümmerte den Turmtriebwagen, wobei der unaufmerksame Fahrer den Tod fand." Zitat Ende
„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
Albert Einstein
"Ich bin, wie ich bin. Die einen kennen mich, die anderen können mich...!"
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Horst Heinrich
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Re: Schwerer Unfall mit Güterzug in Bingerbrück in den 80ern?

Beitrag von Horst Heinrich »

Dieselpower hat geschrieben:Sofort bin ich ins Archiv, und habe Ritzau's Unfallchronik hervorgekramt - Es WAR der 19.9.86, dort liest es sich so:
Zitat: "19.9.1986, Bingerbrück, Str Koblenz - Mainz; der Fahrer eines Turmtriebwagens, der nach kleinen Wartungsarbeiten an der Oberleitung umsetzen sollte, überfuhr ein Haltsignal, und kam im Hauptgleis auf der Nahebrücke zum Halten. Ein durchfahrender G zertrümmerte den Turmtriebwagen, wobei der unaufmerksame Fahrer den Tod fand." Zitat Ende
Den Hergang habe ich -wie gesagt- anders in Erinnerung. Da der Tf alleine im Fahrzeug war, glaube ich mich zu erinnern, daß der Trupp der Starkstrommeisterei erst später zusteigen wollte und der TVT aus einem nicht signalmäßig abgesicherten Gleis auf die Hauptstrecke ausfuhr.
SOLANGE NICHT DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ EINE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ERWIRKT UND SIE MIR PERSÖNLICH AN DER HAUSTÜR ÜBERREICHT,BLEIBE ICH BEI DER ALTEN RECHTSCHREIBUNG.
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