Das OVG Nordrhein-Westfalen hat einen Beschluss vom 05.03.2021 unter dem AZ. 11 B 2060/20 veröffentlicht.
https://openjur.de/u/2332438.html
Dabei handelt es sich um den Tf des entgleisten Zuges von Niederlahnstein, der gegen den Entzug seines
Triebfahrzeugführerscheines zunächst beim Verwaltungsgericht und anschließend beim OVG Beschwerde
eingelegt hatte. In der Begründung auch Details zur Fahrt am 30. Aug. 2020.
Die Entscheidung des OVG ( Zitat ab Absatz 25 ):
1. Dem Antragsteller fehlt die für die Erteilung eines Triebfahrzeugführers erforderliche Zuver-
lässigkeit i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 TfV. Eine Gesamtwürdigung des Verhaltens des Antrag-
stellers ergibt, dass er die Tätigkeit eines Triebfahrzeugführers in Zukunft nicht (mehr) ordnungs-
gemäß ausüben wird.
a. Der Antragsteller hat sich - wie das Verwaltungsgericht [VG] zu Recht festgestellt hat - durch
erhebliche und/oder wiederholte Verstöße gegen eisenbahnverkehrsrechtliche Geschwindigkeits-
regelungen als unzuverlässig erwiesen.
aa. Die vom Antragsteller eingeräumte
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von
90 km/h um 17 km/h während der Zugfahrt DGS 49077 am 30. August 2020 stellt sich als ein sol-
cher erheblicher Verstoß gegen eisenbahnverkehrsrechtliche Vorschriften dar.
(1) Eine solche Geschwindigkeitsüberschreitung ist schon angesichts des vom Antragsteller geführten
Gefahrgut transportierenden Güterzugs nicht unerheblich und - entgegen der Auffassung des Antrag-
stellers - erst recht nicht mit der Situation bei Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschrif-
ten mit Kraftfahrzeugen vergleichbar. Denn Fahrzeuge, die unter diese Vorschriften fallen, haben offen-
sichtlich allein wegen der bewegten geringfügigeren Masse ein anderes Beschleunigungs- und Brems-
verhalten als ein Güterzug.
(2) Der Antragsteller kann auch nicht damit gehört werden, diese Geschwindigkeitsüberschreitung sei
„allenfalls kurzzeitig“ erfolgt. Das VG hat unter Bezugnahme auf die Erläuterungen der Antragsgegnerin
in nachvollziehbarer Weise dargelegt, warum eine nur kurzzeitige Geschwindigkeitsüberschreitung von
17 km/h mit einem Güterzug schon mit Blick auf die Gesetze der Physik denklogisch ausgeschlossen ist.
Abgesehen davon belegt die von der Antragsgegnerin mit ihrem Schreiben vom 11. Februar 2021 im erst-
instanzlichen Hauptsacheverfahren übersandte
Auswertung der elektronischen Fahrtenregistrierung der
Zugfahrt am 30. August 2020, dass der Antragsteller die zulässige Höchstgeschwindigkeit während der
Fahrt an
zahlreichen und langen Abschnitten und damit ersichtlich nicht „allenfalls kurzzeitig“ überschrit-
ten hat.
bb. Auch bei der während der Zugfahrt am 13. April 2019 mehrfach festgestellten Geschwindigkeitsüber-
schreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h bis 30 km/h handelt es sich jeweils um
erhebliche Verstöße gegen eisenbahnverkehrsrechtliche Geschwindigkeitsregelungen.
cc. Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens bedarf es keiner abschließenden Feststellung, ob
auch die am 30. August 2020 bei der oben bereits aufgeführten Zugfahrt vom Antragsteller
im Bereich der
Weiche 35 in Niederlahnstein begangene Geschwindigkeitsüberschreitung erheblich gewesen ist. Sollte dort
- wie die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die Verfügung des VGs im Hauptsacheverfahren in ihrem
Schreiben vom 11. Februar 2021 ausgeführt hat - tatsächlich als
zulässige Höchstgeschwindigkeit 40 km/h
signalisiert gewesen sein, steht die Erheblichkeit des Verstoßes angesichts einer Geschwindigkeitsüberschrei-
tung von dann 22 km/h außer Frage. Aber selbst wenn der Vortrag des Antragstellers zutreffen sollte, dass
in diesem Bereich für den von ihm geführten Zug
60 km/h angeordnet waren, hätte er auch diese Höchst-
geschwindigkeit überschritten.
Denn im Bereich der Weiche ist nach den Feststellungen der Antragsgegnerin
für den vom Antragsteller geführten Zug
eine Geschwindigkeit von 62 km/h dokumentiert, die durch den
unsubstantiierten Einwand des Antragstellers, diese Aufzeichnung sei ungenau, schon nicht in Frage gestellt
ist und zudem durch die mit dem Schreiben vom 11. Feb. 2021 im erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren
übersandte Auswertung der Fahrt bestätigt wird. Damit steht fest, dass der Antragsteller jedenfalls wieder-
holt eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat.
...
d. Auch die
Wahl der falschen Zugart M bei der Zugfahrt am 30. August 2020 durch den Antragsteller
rechtfertigt den Rückschluss auf seine Unzuverlässigkeit.
...
bb. Die
Zugart U, die nach den dem Antragsteller vor Fahrtantritt am 30. August 2020 bekannt gegebenen
Parametern von ihm
zwingend hätte eingestellt werden müssen, gewährleistet eine
besonders restriktive
Überwachung. Dieser
entzog sich der Antragsteller durch die Wahl der Zugart M und deren Beibehaltung
während der gesamten Fahrt an dem betreffenden Tag. Es kann dahinstehen, ob die Wahl dieser Zugart
zunächst irrtümlich oder vorsätzlich erfolgte. Denn es erscheint angesichts der jederzeitigen Erkennbar-
keit des Wahlfehlers an Hand der oben dargelegten Merkmale ausgeschlossen, dass der Antragsteller
einen etwaigen Irrtum während des Fahrtverlaufs nicht hätte erkennen und korrigieren können. Eine der-
artige Verhaltensweise ist mit der sicherheitsrelevanten Verantwortung eines Triebfahrzeugführers nicht
zu vereinbaren. Dabei wiegt besonders schwer, dass der Antragsteller mit dem Transport von Gefahr-
gütern betraut war und ihn deshalb eine nochmals gesteigerte Verantwortung für einen sicheren Verlauf
der Zugfahrt traf.
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