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[BY] Reisebericht Hrodna / Grodno (22 Bilder)

Verfasst: Fr 6. Mär 2020, 19:22
von streckenbummler
Wenn man mitten zwischen den Karnevalshochburgen Mainz und Köln lebt, bleiben einem in der sogenannten “fünften Jahreszeit“ nur zwei Alternativen: Sich in den närrischen Trubel stürzen oder die Flucht.
In diesem Jahr habe ich mich, wie schon häufiger, für die letztgenannte Alternative entschieden und als Fluchtort Hrodna bzw. Grodno in Weißrussland ausgewählt. Da ich in den zurückliegenden Jahren bereits die Grenzübergänge zwischen Vysokaye und Czeremcha sowie Terespol und Brest auf der Schiene genutzt habe, versuchte ich mich dieses Mal am Übergang Kuznica Bialostocka – Bruzgi / Hrodna.
Das aktuelle Programm “Visit Grodno“ erleichtert die Einreise deutlich. Ein Visum ist nicht erforderlich, sofern man sich nur im vorgegebenen grenznahen Raum aufhält. Über eine freundliche Agentur (Karmeltour) wurde der Antrag gestellt und für ganze 10,00 Euro erlangte ich die entsprechende Bescheinigung nebst einem Museumsticket als touristischem Programm sowie eine Krankenversicherung.
Am Freitagnachmittag ging es los zum Düsseldorfer Flughafen. Natürlich nicht ohne eine Änderung, der gebuchte IC 2012 von Oberstdorf nach Dortmund hatte sein Leben bereits in Stuttgart ausgehaucht und so musste ein RE 5 einspringen. Nicht ganz standesgemäß für einen Eisenbahnfreund erfolgte die Anreise von Düsseldorf mit der LOT nach Warschau, wo ich in einem Flughafenhotel nächtigte.
Um 07:00 Uhr ging es dann mit der SKM S3 ab Warszawa Lotnisko Chopina los. Seit dem Fahrplanwechsel verkehrt diese Linie über Warszawa Zachodnia Peron 8 und füllte somit eine weitere Lücke auf meiner Streckenkarte.

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Es folgte der kurze Fußweg zum Hauptteil des Westbahnhofes und gegen 07:30 traf der TLK “Hancza“ auf seiner Fahrt von Krakow nach Suwalki ein. Gleich hinter der Lok liefen die beiden Kurswagen nach Grodno.

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Nichts wie rein in die großräumige Stube, in Wagen 12 hatte ich reserviert. Da ich bislang nur eine Fahrkarte bis Kuznica Bialostocka besaß, wollte ich den rund halbstündigen Aufenthalt in Warszawa Centralna dazu nutzen, ein Ticket für die Reststrecke zu erwerben. Wider Erwarten erreichte ich rasch einen der Schalter, die Dame dort konnte mir jedoch keine Fahrkarte nach Grodno verkaufen, angeblich seien keine Reservierungen mehr möglich. Also zurück zum Zug und der Plan lautete nun, das Ticket beim Schaffner zu erwerben.
Der Wagen 12 hatte sich zwischenzeitlich erheblich gefüllt, während sich im Wagen 11 lediglich vier Fahrgäste verloren. Also suchte ich mir dort einen guten Platz in der Hoffnung, dass auf den Halten unterwegs keine Massen an Reisenden zusteigen. Und so war es dann auch. Entspannt erreichte ich im Zug Bialystok, wo die beiden Kurswagen nach Grodno abgetrennt und alsbald gen Nordosten weiterbefördert wurden. Kurz nach der Abfahrt begannen zwei Herren damit, mehrere Sonnenrollos herunterzuziehen. Alsdann packten sie Handwerkszeug aus, stellten sich auf die Sitze und begannen, im Beisein der Fahrgäste, zwei Deckenlampen und die darunterliegende Deckenverkleidung abzuschrauben. Dabei kamen wie selbstverständlich auch Akkuschrauber zum Einsatz. Nach dem Verstauen unbekannter “Gegenstände“ wurden dann alle Teile wieder angeschraubt. Zufälligerweise erst nach dem Abschluss der Arbeiten erschien dann auch der Kondukteur, der mir sogleich eine Fahrkarte nach Grodno verkaufte. In Kuznica Bialostocka angekommen, erfolgte sogleich das Prozedere der Pass- und Zollkontrollen. Trotzdem konnte man auch den Bahnsteig betreten und Fotos machen.

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Kurz vor der Weiterfahrt tauchten auch die "Innenausbauer" wieder auf. In langsamer Fahrt ging es nun in Richtung der Grenze zu Weißrussland. Vorbei ging es am Güterbahnhof, in dem sich auch zwei weißrussische 2M62 aufhielten. Die Strecke war nun auf beiden Seiten eingezäunt und die begleitenden Wege mit zahlreichen Videokameras versehen. Ein sehr breiter gerodeter Streifen im Wald kündigte die eigentliche Grenze an. Streifen aus lockerem Sand folgten ein erster Zaun sowie die beiden Grenzpfähle. Nun löste der Zug optische und akustische Sicherungseinrichtungen aus, passierte weitere Zaunanlagen und Sandstreifen, um dann schließlich an einem ersten Kontrollgebäude auf weißrussischer Seite zum Stehen zu kommen.

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Hier stiegen Offizielle zu einer ersten Kontrolle der Pässe und sonstigen relevanten Papiere ein. Die Fahrt ging weiter auch entlang von Freilaufanlagen mit Schäferhunden und nach dem Passieren einer weiteren vorgeschobenen Zaunanlage stoppte der Zug kurz in Bruzgi. Hier stiegen Beamte aus und ein. Einer davon auch in unseren Wagen. Schlechte Karten also für das Schrauber-Duo? Aber nein, sogleich erkletterten diese die Sitze und spulten das zuvor beschriebene Programm erneut ab. Offenbar waren die Ohren des Offiziellen an die Geräusche der Akkuschrauber gewohnt und so konnten die Arbeiten mit Erreichen der Brücke über die Memel in Hrodna abgeschlossen werden.
Unmittelbar vor der Ankunft des Zuges aus dem Westen wird der Hausbahnsteig in Hrodna mittels automatischer fahr- und klappbarer Gitter vom übrigen Bereich abgetrennt. In diesem Abschnitt kommt dann “Hancza“ zum Halten und die Fahrgäste werden so automatisch in den internationalen Kontrollbereich geleitet. Deutlich über 50 Reisende unterzogen sich nunmehr den Überprüfungen. In einem engen Gang nährt man sich dem Kontrollfenster und steht sodann im gleißenden Licht. Es folgte noch ein prüfender Blick der Zollbeamten und schon steht man in der recht modernen Halle des Bahnhofs von Hrodna. Oben auf der Empore kann man übrigens Geld wechseln.

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Vor dem Gang in die Stadt galt es schnell noch einen Blick auf die Bahnsteige zu werfen. Dort fährt gerade der Schnellzug nach Moskau mit Kurswagen nach Sankt Petersburg ab und nach dem Umsetzen der Lok wartet auch “Hancza“ auf seine Rückfahrt.

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Zwar hatte es begonnen zu regnen, aber nun ging es in die Stadt. Schräg gegenüber vom Bahnhof befindet sich ein bestens sortierter Supermarkt, in dem man ebenfalls Geld wechseln kann. Am Nachmittag sowie am folgenden Sonntag habe ich mich in der sehr sauberen und sehr sicher wirkenden Stadt umgeschaut. Übernachtet habe ich im Hotel Neman. Hier nun einige Impressionen:

Ein Blick über die Memel auf die Altstadt.
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Das dramatische Theater.
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Neues Schloss.
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Antiquierte Militärtechnik am Tag der Verteidiger des Vaterlandes.
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Ehrenmal für die Gefallenen im großen Vaterländischen Krieg
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Katholische Franz-Xaver Kathedrale.
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Die orthodoxe St. Basilius Kathedrale.
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W. I. Lenin.
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Das Theater bei Nacht. Blick aus dem Hotelzimmer.
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Am späten Mittag des Sonntags zog es mich dann zurück zum Bahnhof von Hrodna.

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Neben der Ausfahrt eines Zuges nach Witebsk gab es dort auch die Bereitstellung und erneut die Abfahrt des Schnellzuges nach Moskau zu beobachten.

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Beim Fotografieren auf dem Bahnsteig wurde ich zweimal von Offiziellen angesprochen. Ein Hinweis auf mein Eisenbahnhobby und mein Touristendasein sorgten jedoch sogleich für freundliche und entspannte Mienen. Bevor der Zug aus Krakau eintraf, holte ich am Schalter noch meine vorbezahlte Fahrkarte nach Bialystok ab. Schon wurden die Gitter ausgefahren und die ankommenden Fahrgäste beschritten meinen bereits oben geschilderten Weg des Vortages, den ich anschließend in der Gegenrichtung gehen musste.

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Nach den Kontrollen sammelten sich die Fahrgäste wie an einem Gate am Flughafen und 15 Minuten vor der Abfahrt des Zuges schlossen sich die Gitter auf dem Bahnsteig und öffneten sich die Türen. Die beiden Großraumwagen waren bis auf den letzten Platz gefüllt.

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Analog der Hinreise lief das Kontroll- und Überwachungsprogramm ab. Schrauberarbeiten fanden diesmal nicht statt. Dafür mussten aber abschnittsweise Reisende in Kuznica Bialostocka den Zug verlassen, damit die Zollbeamten die Sitze und Ablagen kontrollieren konnten. Eine gute Gelegenheit für ein Foto.

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In Bialystok verließ ich dann meinen Wagen und wartete die Ankunft des Zugteils aus Suwalki ab, der unverändert mit einer CD-Lok daherkommt. In der 1. Klasse ging es dann zurück nach Warschau.

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Epilog: Da der Flug von Warschau nach Düsseldorf verspätet war, verpasste ich den eingeplanten IC und durfte mich stattdessen zwischen die Jecken im RE 5 über Düsseldorf, Köln und Bonn nach Andernach stürzen. Die Moral von der Geschicht`: Trotz einer Fahrt nach Weißrussland entkommst du dem Karneval nicht!

Re: [BY] Reisebericht Hrodna / Grodno (22 Bilder)

Verfasst: Mo 6. Apr 2020, 14:30
von Rottenmeister K.
Vielen Dank für den interessanten Reisebericht in eine mir fremde Welt in Ost-Europa.
Gruß aus dem Brexbachtal!

Re: [BY] Reisebericht Hrodna / Grodno (22 Bilder)

Verfasst: Di 7. Apr 2020, 12:08
von reinout
Ein Bericht aus ein ganz anderern Welt... Interessant.

Weißrussland ist die "letzte Diktatur in Europa", aber so eine strenge Grenzschutz hatte ich doch nicht erwartet!

Reinout