Nostalgie anders, Montabaur 13:07

Antworten
Benutzeravatar
Theo_Loks
Oberschaffner A3
Beiträge: 97
Registriert: Di 17. Nov 2015, 19:28
Kontaktdaten:

Nostalgie anders, Montabaur 13:07

Beitrag von Theo_Loks »

Erinnerungen

Dreizehnuhrsieben, das war in den späten 60-er und frühen 70-er Jahre für viele Fahrschüler in Montabaur ein fester Begriff. Nach sechs Unterrichtsstunden in der Berufs- oder Handelsschule, im Gymnasium oder Aufbaugymnasium war drei Minuten vor Eins Schulschluss und wohl rund Tausend Schüler drängten sich auf dem Weg zum Bahnhof; ein Teil von ihnen nur bis zum Vorplatz, von wo aus Postbusse in jene Orte fuhren, welche nicht an einer Eisenbahnlinie lagen.
Die anderen verteilten sich schnell auf den drei Bahnsteigen des Bahnhofes Montabaur und warteten auf 'ihre' Züge.
Im Gleis 1 war meist schon – aus Siershahn kommend – ein Zug aus zwei 'Einmot-Einheiten' (795+Anhänger) angekommen, dessen hintere Einheit abgekoppelt und auf Gleis 3 für die Fahrgäste in Richtung Westerburg bereitgestellt wurde. Die vordere Einheit stand bereit zur Fahrt nach Limburg.
Ich selbst wartete – mit der 'gefühlten absoluten Mehrheit' aller Fahrschülerinnen und -schüler – an der Bahnsteigkante des Gleises 2 auf den dreiteiligen 'Doppelmot' (798 + Mittelwagen + Steuerwagen) aus Limburg, der uns in die großen Dörfer Dernbach, Wirges, Siershahn, Ebernhahn und Ransbach-Baumbach bringen soll. Der Platz, an dem die Türen zum Stehen kamen, waren natürlich besonders beliebt und umkämpft, und auch ohne 'A B C D E' gut zu merken, denn der Zug hielt immer gleich: Der Motorwagen Kopf-an Kopf mit den Zügen auf Gleis 1 und 3, der letzte Wagen endete dadurch bündig am Gleisübergang nach Gleis 3.

Heute wundert man sich schon darüber, welche Nerven die Triebwagenführer damals gehabt haben mussten, wenn sie – noch relativ (!) schnell – an der Phalanx der dreireihig aufgestellten, drängelnden und schubsenden Teenager vorbei rollten, deren Schuhspitzen nicht selten über die Bahnsteigkante hinaus ragten. Manche Fahrer hupten, aber die meisten wussten genau, dass dies absolut nichts änderte. Trotzdem ist es meines Wissens nie zu einem Unfall gekommen.
Pünktlich um 13:07 Uhr setzen sich alle drei Züge in Bewegung. Der Abfahrauftrag dazu wurde noch vom Fahrdienstleiter mit Kelle und roter Mütze gegeben. Kam man in der Schule nicht so flott los, sah man vielleicht noch die Rücklichter und einen menschenleeren Bahnhof.

Nach dem Einsteigen hieß es für die ersten, einen 'Sechser' zu sichern – oder durch Umlegen der Rückenlehnen zu erstellen, Karten raus und mischen, damit man dann bis Wirges wenigstens eine Runde Skat (drei Spiele) hinter sich gebracht hat. Danach aussteigen und nach gut 15 Minuten Fußweg – bei Wind und Wetter – war man dann zu Hause. Manchmal ging es von hier nach 15 Minuten wieder los zum Bahnhof, wenn nachmittags Sport angesagt war.

Neun Jahre im Schienenbus zur Schule und zurück, dazu viele andere private Fahrten, später zum DB-Unterricht in Deutzerfeld, und nach dem Zivildienst zur Uni in Bonn – alle Reisen begannen im roten Brummer (oder, wie wir sagten, in der Apfelsinenkiste) nach Neuwied, Koblenz oder Limburg und endeten in einem solchen. – Ich trauere den Schienenbussen nicht nach, dem Motorlärm, dem Zittern und Klappern, der miserablen Belüftung im Sommer, dem Abort ohne Waschgelegenheit. Einzig die variable Bebankung mit uneinsaubarem* Kunstleder und die Möglichkeit, am Fahrer vorbei oder nach hinten frei auf die Strecke blicken zu können, sie fehlen mir bei neueren Fahrzeugen.
* Einmal mit dem Doppelstock-Schienenbus von Bullay nach Traben-Trarbach und zurück gefahren. Auf der Hinfahrt im oberen Stock in Fahrtrichtung in der ersten Reihe Platz genommen, wegen der super Sicht auf die Strecke. Leider fuhr wohl vor mir eine offene Flasche Wein auf diesem Platz, mit der Öffnung nach unten, versteht sich. Wenigstens meine Hose war getränkt von bestem Moselwein und trocknete auch nicht allzu schnell. Im roten Brummer hätte sich der Wein nicht so dreist verstecken können.

P.S.: 13:07 Uhr stimmt in meiner Erinnerung für die meisten Jahre, manchmal stand im Fahrplan auch 13:08 oder gar 13:10. Vielleicht kontrolliert dies ja ein Kursbuchbesitzer für Dezember 1966 bis Mai 1975.
Die anderen Fahrzeiten: nach 2 Stunden: 10:45, (795-er Single) nach 3Std. 11:19 (798-3tlg.), nach 4Std. 12:05, später 12:10 (795-er Paar) und nach 5Std. seit den 70-ern: 12:35 (keine Erinnerung ans Material).

Leider habe ich keinerlei Bilder aus diesen Tagen, es war auch nicht opportun, als Schüler im Gedränge Fotos zu machen; mein Smartphon war damals leider in Reparatur ...


Noch zu einer anderen Erinnerung aus jenen Tagen fehlen mir Bild- und andere Informationen: Von Limburg kommend in Richtung Siershahn standen kurz nach der Abfahrt rechter Hand große Mengen an ausrangierten(?) Dampfloks (u.a. 01); nach meiner Erinnerung anscheinend an einem Hang, denn aus dem Schienenbus konnte ich auf mehr als ein besetztes Gleis blicken. Vor Ort und auch auf Google-Maps kann ich heute noch nicht einmal die Stelle finden, wo dies gewesen sein könnte. Wahrscheinlich hatte sie mit dem AW (oder dem BW) zu tun. Gibt es vielleicht hier im Forum irgendwelche Infos dazu (meine eigene Suche ergab leider kein Ergebnis, ebenso wie eine Nachfrage im Bf.Limburg vor einigen Jahren).

Hans-Josef
BSchötz
Betriebsassistent A5
Beiträge: 182
Registriert: So 4. Sep 2016, 16:19

Re: Nostalgie anders, Montabaur 13:07

Beitrag von BSchötz »

Schöne Schilderung.....ich habe die 13-Uhr-Zeit in Montabaur auch noch kennen lernen dürfen,allerdings erst in den späten 80ern.Da waren es nur noch Zweimotorer,aber die Stimmung ähnlich;ich war allerdings kein Schüler,sondern auf der Jagd nach Nebenbahnerlebnissen.Ich will den Schienenbus mit seinen zweifellos vorhandenen Schwächen nicht in den Himmel heben,aber die neuen Fahrzeuge sind kalt im Winter,heiss im Sommer und meistens wäre man froh,wenn überhaupt die einzige Toilette funktionsfähig oder nicht vorsorglich(hässliche Vermutung)abgesperrt wäre.Aber das nur nebenbei...danke für den Beitrag.
Maurice
Obersekretär A7
Beiträge: 252
Registriert: So 15. Jan 2006, 12:36
Kontaktdaten:

Re: Nostalgie anders, Montabaur 13:07

Beitrag von Maurice »

Schöne Erinnerungen, Danke dafür!

Ich trauere den Schienenbussen schon etwas nach. Das Klima im Sommer hat mich nie besonders gejuckt (auf Nebenstrecken waren ja oft die Türen auf während der Fahrt), dafür waren die Sitze bequem und man konnte immer in Fahrtrichtung sitzen. Knapp ein Jahr bin ich jeden Abend vom Ausbildungsplatz in Dillenburg bis nach Haiger mit dem Schienenbus gefahren. Abfahrt in Dillenburg auf Gleis 5 war immer um 18:07 Uhr. Meist war ich Einer von einer handvoll Fahrgästen.

Im vergangenen Sommer habe ich eine Tour im Schienenbus mit den OEF aus Gießen auf der Dillstrecke und der Lahntalbahn bis Weilburg unternommen. Und auch bei uns auf der Brex bin ich natürlich immer dabei, wenn Sonderzüge fahren. So war es zumindest bis Ende 2013.
Bleibt nun abzuwarten, wann die neue Betriebsgenehmigung erteilt wird, damit wieder Sonderfahrten stattfinden können.

Vielleicht bis bald mal auf der Brex :-)

Grüße

Maurice
Antworten