Der Bunker Erwin und der Bahnhof Thalfang

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Horst Heinrich
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Der Bunker Erwin und der Bahnhof Thalfang

Beitrag von Horst Heinrich »

Der Bunker Erwin war eine unterirdische, militärische Festung bei Börfink, die vier Stockwerke in die Tiefe reichte, bis in die 1990er Jahre waren hier zwischen 300 und 700 Soldaten stationiert und bis 1994 beherbergte er das NATO-Kriegshauptquartier AFCENT/AIRCENT.

Er wurde von 1960 bis 1963 unter größten militärischen Sicherheitsvorkehrungen erbaut.
Gestern traf ich einen Zeitzeugen, Jahrgang 1935, der damals in der Bauleitung beschäftigt und für den Baustahl zuständig war.

Er berichtete mir folgendes:
Für den Rohbau benutzte man Spezial-Bewehrungsstahl mit im normalen Handel nicht erhältlichen 42 Millimeter Durchmesser. Eine Spezialanfertigung. Hersteller war eine Andernacher Firma.
Angeliefert wurde der Stahl per Bahn an den Bf Thalfang, dort wurde er auf LKW umgeladen und zur Baustelle gefahren, das alles unter größten Sicherheitsvorkehrungen.
Züge, Lkw sowie der Umlade- und Transportvorgang waren von dutzenden bewaffneten Soldaten bewacht, alle Mitarbeiter hatten Sonderausweise, gelegentlich gab es stichprobenartig Leibesvisitationen, insbesondere um Fotoapparate aufzuspüren, denn Fotographieren war mit der Aussicht auf sofortige Festnahme streng verboten.
Selbst im Thalfanger Stellwerk postierten sich Feldjäger und amerikanische MP mit umgeschnallter Maschinenpistole, ein älterer Fdl, der hier kurz vor der Pensionierung noch Dienst tat, kam morgens schon mit Angstschweiß auf der Stirn zum Dienst, auch im Winter, so nahm ihn das mit.
Mein Zeitzeuge wurde einmal kurzzeitig von der MP verhaftet, weil er entlang der Transportstrecke mit dem Ford Taunus am Waldrand hielt, um auszutreten. Sowohl das Auto schlechthin erregte Aufsehen, als auch das ZEL-Kennzeichen (er stammte aus dem Raum Büchenbeuren, aber rund um Thalfang gab es seinerzeit nur BKS- bzw. TR-Kennzeichen und neue Autos waren selten).
Nach einem kurzen Telefongespräch vom Bahnhof an die Wache der Baustelle klärte sich das ganze, auch bestätigte sich die Echtheit der Ausweise.

Die Nerven lagen blank - in der Hochphase der Kuba-Krise fuhren gelegentlich sogar Soldaten auf den Loks mit, weil man Anschläge auf die Versorgungs- und Baustoffzüge befürchtete.
Viele der eingesetzten US-Offiziere mißtrauten den Deutschen, so wurde der ältere Fdl einmal gefragt, ob er denn schon unter den Nazis Bahnbeamter war und ob er auch KZ-Züge z.B. nach Hinzert-Pölert abgefertigt habe, was den alten Mann sichtlich erregte.
Wieder andere US-Soldaten erkundigten sich ernsthaft beim Bahnpersonal, ob man noch alte Uniformen mit Hakenkreuz habe und ob man die kaufen könne... :shock:

Turbulente Jahre in Thalfang müssen das gewesen sein.
Auf jeden Fall will mein Zeitzeuge doch noch einmal nach Fotos suchen, denn einige mußten wohl zu Gewährleistungs- und Dokumentationszwecken doch angefertigt werden, natürlich unter Zusicherung größter Diskretion.

Aber ich denke, die Sache ist heute verjährt... 8)

Wenn ich Neues zum Thema erfahre, werde ich hier wieder berichten, aber vielleicht können sich ja auch andere Forianer mal umhören.
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TroubadixRhenus
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Re: Der Bunker Erwin und der Bahnhof Thalfang

Beitrag von TroubadixRhenus »

Eine sehr bedrückende Zeit lebt da in den alten Erzählungen wieder auf. Aber wir driften ja heute wieder Stück für Stück erneut in eine solch schreckliche Epoche hinein, die wir mit der Beendigung des alten "Kalten Kriegs" eigentlich hinter uns gebracht zu haben glaubten.

Und was das Schlimmste ist: Es interessiert heute keine Sau! Uns gehts ja gut, was soll man sich da Gedanken machen... :(
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stellwerk
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Re: Der Bunker Erwin und der Bahnhof Thalfang

Beitrag von stellwerk »

Hallo zusammen,

wer sich mal etwas näher über den Bunker "Erwin" informieren möchte, kann
das hier http://rgebhard.de/seite1006.htm tun.
Ich habe dort längere Zeit gearbeitet ......

Gruß

Rodrigo
Horst Heinrich
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Re: Der Bunker Erwin und der Bahnhof Thalfang

Beitrag von Horst Heinrich »

JoergS hat geschrieben:Was wurde aus dem Bunker ?
Nach dem endgültigen Abzug der Militärs 2002 war das Schicksal der Anlage lange ungewiß, denn es zeigte sich, daß ein Rückbau unglaublich hohe Summen verschlingen würde, also suchte man sehr lange einen Nachnutzer und die Bundesrepublik als Eigentümer war geneigt, hier nur einen symbolischen Kaufpreis anzusetzen, über den sogar bis heute weitgehend Stillschweigen bewahrt wird.

Schließlich fand man einen Interessenten:

http://www.itvt.de/

Zur Zeit wird der Bunker zum IT-Schulungszentrum und für die Sicherung sensibler Daten umgebaut und er wird auch bewacht, z.B. von einem sehr dezenten Schäferhund, wie ich vor etwa vier Wochen, als ich hier im Wald zu tun hatte, feststellen mußte, denn das Tier war auf leisen Sohlen herangekommen und hat uns -zunächst ohne zu bellen- von seiner Seite des Zaunes aus in aller Ruhe beobachtet. 8)
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