Noch eine Mobilitätsstudie...

Horst Heinrich
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Re: Noch eine Mobilitätsstudie...

Beitrag von Horst Heinrich »

Westeifelbahner hat geschrieben:Da jetzt hier schon mehrfach Gutachter Gehrmann erwähnt wurde, will ich doch mal ergänzen, dass Gehrmann-Gutachten auf anderen Strecken durchaus zu dem Ergebnis einer Empfehlung der SPNV-Reaktivierung kamen. Zum Beispiel auf der Eifelquerbahn.
Die Gehrmann'sche Glaubwürdigkeit wurde auch nicht infrage gestellt, nur ist es so, daß auf ein beauftragtes (also nicht ergebnisoffen angegangenes) Gutachten, wie es z.B. eine verhältnismäßig neutrale Institution wie ein sauber arbeitendes Hochschulinstitut liefern könnte, immer derart viele Einflußgrößen wirken, die das Ergebnis nachdrücklich beeinträchtigen (können). In dem in der Regel sehr engen Abstimmungsprozeß zwischen Auftraggeber und Gutachter finden sehr viele Arbeitssitzungen statt, in denen das Gutachterteam verschiedene, seit der letzten Sitzung entwickelte Facetten darstellt. Wenn es dann von seiten des Auftraggebers heißt, "das oder jenes brauchen Sie gar nicht weiter zu vertiefen, das ist für uns sowieso uninteressant", wird dieser oder jener Ansatz auch nicht weiter verfolgt, selbst wenn es vielleicht sinnvoll wäre.

Konkret auf das Gehrmannsche Hunsrückbahngutachten bezogen:
Wenn man bei den Treffen im Morbacher Rathaus 2001/2002 auf Gutachterseite also erkannt hat, vielleicht auch das ÖPNV-Potential tiefer zu untersuchen, und von den kommunalen Auftraggebern ist der Einwand gekommen "darum geht's uns aber gar nicht, wir wollen etwas über die Tourismus- und Gelegenheitsgüterverkehrspotentiale erfahren", dann ist das Thema ÖPNV vom Tisch gewesen. Unabhängig von seiner tatsächlichen Relevanz.
Westeifelbahner hat geschrieben: Ansonsten denke ich auch, dass es auch im Hunsrück hinreichend Beispiele dafür gibt, dass selbst Kommunen durchaus noch mehr als genug Geld zum Ausgeben haben, wenn sie es denn wollen (In Hermeskeil findet sich dafür ja ein gutes Beispiel...).

Gruß Westeifelbahner
Du verweist hier wohl auf das schlagzeilenträchtige Feuerwehrmuseum.
Obwohl ich als tief-liberaler Nationalökonom eine regelrechte Allergie habe gegen die leichtfertige Verschwendung in öffentlichen Haushalten - hier liegt die Sache etwas anders.
Von der kleinsten rheinland-pfälzischen Kommune (Dierfeld) bis hin zur größten (Mainz) - das Feuerwehrwesen hat eine derart große öffentliche Reputation, daß die Errichtung eines solchen Museums durchaus plausibel und legitim ist.

Da ergäben sich allein bei der Durchforstung der aufgeblähten kommunalen Wahlbeamtenlandschaft einschließlich ihrer noch viele Legislaturperioden wirksamen Belastung der Haushalte durch üppige Alimentationen allein im Landkreis Trier-Saarburg, zu dem Hermeskeil gehört, Einsparungspotentiale, da könnte man noch einige Feuerwehrmuseen errichten und es wäre noch Geld für die Reaktivierung der Hunsrück- und Hochwaldbahn übrig... :shock:
Schon im ersten Jahr verzeichnete man 10.000 Besucher - überwiegend Steuerzahler und ehrenamtliche Wehrleute, die dem Staat durch ihr freiwilliges Tun jährlich Millionenersparnisse bescheren.

Man könnte ja auch einige verstorbene Bürgermeister ausstopfen und in einem Museum präsentieren - fragt sich nur, ob sie einen solchen Zuspruch hätten...
SOLANGE NICHT DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ EINE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ERWIRKT UND SIE MIR PERSÖNLICH AN DER HAUSTÜR ÜBERREICHT,BLEIBE ICH BEI DER ALTEN RECHTSCHREIBUNG.
Westeifelbahner

Re: Noch eine Mobilitätsstudie...

Beitrag von Westeifelbahner »

Ob es die eine oder die andere Ausgabe ist: Es ist und bleibt eben unterm Strich eine Frage der eigenen, politischen Entscheidung, für welche Ausgaben noch Geld da ist oder nicht. Darum geht es mir. Es gehört eben zur Wahrheit, dass ein Kommunalpolitiker, der auf fehlende finanzielle Mittel verweist, in der Regel eine Präferenz für andere Maßnahmen hat (was ja auch nicht verwerflich ist).

Die Gutachter-Problematik sehe ich bekanntlich auch, aber genau deshalb war mir wichtig, dass nicht alle Gutachter "in eine Schublade geschoben" werden. Die Gehrmann-Gutachten gehören für mich bis heute zu den sachdienlichsten Gutachten, die ich gelesen habe. Insbesondere deshalb, weil man sie verstehen konnte und kann. Gehrmann musste hier noch mit der Möglichkeit kritischer Nachfragen rechnen und sich darauf gutachterlich einstellen. Wenn heute eine Nutzen-Kosten-Analyse erstellt wird, die allen in RLP gängigen Kriterien entspricht, behaupte ich, dass vielleicht maximal zwei oder drei Leute je Gemeinderat überhaupt im Detail verstehen, wie diese Berechnung zu Stande gekommen ist. Genau das ist ein wesentlicher Teil der Problematik. Politiker vertrauen insbesondere da auf Gutachten, wo sie diese auch selbst nicht mehr durchblicken. Der Zeitungsleser versteht nur das Ergebnis des Gutachtens (Kosten höher als Nutzen) und kann dieses nicht reflektieren. Er merkt nur, dass der Gutachter irgendwie mehr zu durchblicken scheint und macht sich nur das Argument eigen, dass die Bahn nicht reaktiviert werden kann, weil die Kosten höher als der Nutzen sind. Diskutiert man dann darüber, wird schnell klar, dass hierbei Annahmen getroffen werden, die mit dem Gutachten nichts mehr gemeinsam haben...
Wenn ich die heutige Zeit mit den 90er Jahren vergleiche, dann ist das aus meiner Sicht auch einer der Gründe dafür, warum seinerzeit viele Reaktivierungsprojekte Fahrt aufnahmen, die heute auf dem Abstellgleis landen: Seinerzeit war die ganze Diskussion transparenter, weil die Gutachten noch bürgernah, sprich verständlich, geschrieben und zugänglich waren.

Was die Auftragsvergabe an "unabhängige Hochschulinstitutionen" angeht, bin ich nicht weit genug weg von der "Grünen Holle" Nürburgring, um darin die Lösung zu sehen.

Gruß Westeifelbahner
Horst Heinrich
Oberrat A14
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Re: Noch eine Mobilitätsstudie...

Beitrag von Horst Heinrich »

ivie0810 hat geschrieben:
Wenn heute eine Nutzen-Kosten-Analyse erstellt wird, die allen in RLP gängigen
Leider beziehen sich die Kosten-Nutzen Aspekte aber nicht auf Nachhaltigkeit und ökologischen Nutzen.

Wenn ich so rechne wie bei Bahnstrecken, dann gäbe es auch keine Straßen oder Radwege, auch diese würden beim gleichen Ansatz als unwirtschaftlich gelten und dürften nicht gebaut werden.
Da sind wir mitten drin in der klassischen, nationalökonomischen Opportunitätskostendiskussion - Investition in Straße oder in Schiene? Das ist nur politisch und nicht zahlenmathematisch zu lösen, obwohl die Politik, um nicht entscheiden zu müssen, sich immer gerne hinter den wirtschaftswissenschaftlichen Zahlenwerken versteckt. Da aber keiner auf die Idee kommt, eine NKU für eine Umgehungsstraße oder einen vierspurigen Bundesstraßenausbau zu fordern, sondern hier mit der Bauentscheidung die politische Stimmung im Wahlvolk bedient wird, unabhängig von ihrer katastrophalen ökonomischen Bilanz, schneidet eine ländliche Bahnstrecke immer schlechter ab.

Da sind wir wieder am Anfang der Diskussion. Dem Bürger muß der gesamtgesellschaftliche Vorteil "seiner" Bahnstrecke nahe gebracht werden, dann bestehen auch Chancen, daß er hinter ihr steht und die Infrastruktur für ähnlich wichtig hält, wie z.B. den Ausbau der B 50, dessen ökonomische NKU-Bilanz übrigens nicht wie bei der Strecke Türkismühle-Büchenbeuren bei 0,85 liegt, sondern unter 0,5.
SOLANGE NICHT DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ EINE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ERWIRKT UND SIE MIR PERSÖNLICH AN DER HAUSTÜR ÜBERREICHT,BLEIBE ICH BEI DER ALTEN RECHTSCHREIBUNG.
Rolf
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Re: Noch eine Mobilitätsstudie...

Beitrag von Rolf »

Westeifelbahner hat geschrieben:Ob es die eine oder die andere Ausgabe ist: Es ist und bleibt eben unterm Strich eine Frage der eigenen, politischen Entscheidung, für welche Ausgaben noch Geld da ist oder nicht. ...
Genau das ist der Punkt. Es ist eine Frage der Prioritäten, und da rangiert die Reaktivierung einer Nebenbahn in der Provinz nun mal ziemlich weit hinten. Und wenn nicht genug Geld für alle Wünsche da ist, fallen die weiter unten auf der Wunschliste stehenden Projekte eben dem Rotstift zum Opfer.
Westeifelbahner

Re: Noch eine Mobilitätsstudie...

Beitrag von Westeifelbahner »

Rolf hat geschrieben:Genau das ist der Punkt. Es ist eine Frage der Prioritäten, und da rangiert die Reaktivierung einer Nebenbahn in der Provinz nun mal ziemlich weit hinten. .
Bei mir nicht :wink:
Rolf hat geschrieben:Und wenn nicht genug Geld für alle Wünsche da ist, fallen die weiter unten auf der Wunschliste stehenden Projekte eben dem Rotstift zum Opfer.
Logisch.
Gruß Westeifelbahner
Westeifelbahner

Re: Noch eine Mobilitätsstudie...

Beitrag von Westeifelbahner »

Horst Heinrich hat geschrieben:Da sind wir mitten drin in der klassischen, nationalökonomischen Opportunitätskostendiskussion - Investition in Straße oder in Schiene? Das ist nur politisch und nicht zahlenmathematisch zu lösen, obwohl die Politik, um nicht entscheiden zu müssen, sich immer gerne hinter den wirtschaftswissenschaftlichen Zahlenwerken versteckt. Da aber keiner auf die Idee kommt, eine NKU für eine Umgehungsstraße oder einen vierspurigen Bundesstraßenausbau zu fordern, sondern hier mit der Bauentscheidung die politische Stimmung im Wahlvolk bedient wird, unabhängig von ihrer katastrophalen ökonomischen Bilanz, schneidet eine ländliche Bahnstrecke immer schlechter ab.
Da sind wir wieder am Anfang der Diskussion. Dem Bürger muß der gesamtgesellschaftliche Vorteil "seiner" Bahnstrecke nahe gebracht werden, dann bestehen auch Chancen, daß er hinter ihr steht und die Infrastruktur für ähnlich wichtig hält, wie z.B. den Ausbau der B 50, dessen ökonomische NKU-Bilanz übrigens nicht wie bei der Strecke Türkismühle-Büchenbeuren bei 0,85 liegt, sondern unter 0,5.
Nun ja, darf tatsächlich kein Schienenverkehrsprojekt realisiert werden, bei dem gutachterlich belegt mehr Kosten als Nutzen entstehen. Das ist ja auch grundsätzlich gut so.
Entscheidend ist, wie schon geschrieben wurde, die Berechnungsgrundlage. Und was da heutzutage gerechnet wird, hat sehr, sehr wenig damit zu tun, dass einfach realistisch die Fahrgastzahlen prognostiziert werden. Heute wird dabei beispielsweise berechnet, wie viele Menschen weniger an Unfällen sterben, wenn die Bahnstrecke reaktiviert wird - eine für mich reichlich absurde Zahlendreherei :roll: .

Gruß Westeifelbahner
Bernd Heinrichsmeyer
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Re: Noch eine Mobilitätsstudie...

Beitrag von Bernd Heinrichsmeyer »

ivie0810 hat geschrieben:
Wenn heute eine Nutzen-Kosten-Analyse erstellt wird, die allen in RLP gängigen
Leider beziehen sich die Kosten-Nutzen Aspekte aber nicht auf Nachhaltigkeit und ökologischen Nutzen.

Wenn ich so rechne wie bei Bahnstrecken, dann gäbe es auch keine Straßen oder Radwege, auch diese würden beim gleichen Ansatz als unwirtschaftlich gelten und dürften nicht gebaut werden.
Das ist einfach Unsinn. Sorry, für die deutlichen Worte. Bei geringem Reisendenaufkommen ist SPNV ökonomisch und ökologisch nicht sinnvoll. Ein VT braucht mehr Kraftstoff und verursacht mehr Emissionen, als ein Linienbus. Hinzu kommen ergänzende Emissionen durch Zubringerbusse oder Indivualverkehr. Die Ökobilanz fällt also erheblich schlechter aus. Und das wird in Gutachten berücksichtigt. Erst bei größeren Transportmengen, also vielen Reisenden, kippt die Waage in die andere Richtung.
Hinzu kommt, dass ein weiterer Verkehrsträger durch die Volkswirtschaft vorgehalten wedrden muss. Straßen müssen im Zuge der Daseinsvorsorge in jedes Kaff führen. Eine Bahnstrecke ist ein weiterer Kostenpunkt.

Also ich bin überzeugt, dass im südlichen Hunsrück und Hochwald die 13 Jahre alten Annahmen von Gehrmann noch in etwa zutreffen und das noch im gewissen Sinne belastbar ist. Ich wäre sauer, wenn man mein Steuergeld für einen SPNV ausgeben würde, der zu geringe Auslastung hat.

Völlig unabhängig davon vertrete ich natürlich weiter die Auffassung, dass man die Strecke durchgehend sichern sollte, weil heute keiner absehen kann, was in 20, 30 oder 50 Jahren erforderlich sein wird.
Bernd Andreas Heinrichsmeyer
http://www.heinrichsmeyer.com
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