Vennquerbahn (Jünkerath - Losheim)

Rolf
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Re: Kylltalradweg von Jünkerath nach Losheim kann gebaut werden

Beitrag von Rolf »

Im Gästebuch der ehemaligen Vennbahn habe ich den Wert von 20.000 Nutzern pro Jahr gefunden. Gemessen an der Länge der Strecke und den damit verbundenen Kosten ist das doch leider etwas wenig. Auf das Jahr bezogen sind das 54 Nutzer pro Tag. Nicht gerade viel im Vergleich zu den angegebenen Werten für die Fahrradwege der Region. Schade, ich hatte mit mehr gerechnet!
Westeifelbahner

Re: Kylltalradweg von Jünkerath nach Losheim kann gebaut werden

Beitrag von Westeifelbahner »

Mit welcher Formel kommst du denn auf 54 Nutzer pro Tag???
Gruß Westeifelbahner
Rolf
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Re: Kylltalradweg von Jünkerath nach Losheim kann gebaut werden

Beitrag von Rolf »

saarepi hat geschrieben:Das sind 54 Fahrgäste täglich, wenn die Züge täglich gefahren wären...
Genau. Ich habe diese Bezugsgröße gewählt, weil Horst Heinrich etwas weiter oben im Thread die gleiche Rechnung für Fahrradwege aufgemacht hat:
Horst Heinrich hat geschrieben:Nehmen wir den "Spitzenreiter" Daun-Wengerohr mit 57.000 Nutzern.
Das sind täglich im Schnitt 156 Radler.
Ich denke, dass die Politik auf Basis solcher Zahlen und Vergleiche argumentiert. Ganz ohne Wertung betrachtet.
saarepi hat geschrieben:... Also Zahlen sind relativ, wenn man keine Vergleiche hat und so argumentieren auch unsere Politiker, die Presse und viele mehr!!....
Eben. Man muss aber schon wissen, wie die Politik argumentiert, um deren Argumentation begegnen zu können. Ich habe vom plötzlichen Ende der Vennbahn gar nichts mitbekommen und nur wenig von den Argumenten der Beteiligten. Ich war damals völlig überrascht und wahnsinnig enttäuscht, als ich schließlich vom plötzlichen Tod der Bahn gehört hatte! Mich interessiert daher, gerade im Blick auf die aktuelle Situation anderer Strecken, was die Politik damals bewogen hat, diese wunderschöne Strecke aufzugeben. Deswegen mein Versuch, die relevanten Zahlen beizusteuern. Leider finde ich nichts dazu, was eine Aufarbeitung der Vennbahn gekostet hätte. Es müssen doch Zahlen im Raum gestanden haben (auch wenn diese, wie wir ja wissen, je nach Interessenlage sehr unterschiedlich ausfallen können). Vielleicht kennt sich ja jemand aus?
saarepi hat geschrieben:... Ich schätze das Potential im Hochwald und Hunsrück auf 300.000 Fahrgäste im Jahr und wenn dadurch 100.000 Fahrten mit dem Auto wegfallen würden, welch ein Segen für Natur und Umwelt!...
300.000 Fahrgäste? Ein ambitioniertes Ziel, für dessen Realisierung ich viel Glück wünsche!
Horst Heinrich
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Re: Kylltalradweg von Jünkerath nach Losheim kann gebaut werden

Beitrag von Horst Heinrich »

saarepi hat geschrieben:Die Zahlen des Nationalparks rechnen mit 400.000 Besucher im Jahr.
Das wären knapp 1000 Besucher pro Tag an 365 Tagen, ich weiß nicht, woher die Macher von Park und Studie diese optimistischen Zahlen nehmen.
Jeder, der die Region kennt, sich öfters hier aufhält oder am Ende noch als Bewohner täglich erlebt, was hier "abgeht", wird diese Zahl in den Bereich des Wunschdenkens einordnen.
Alle bisher schon im Parkgebiet etablierten, touristischen Anlaufstellen vom Otzenhausener Ringwall über den Tierpark an der Wildenburg, das Hunsrückhaus bis hin zum Erbeskopf verzeichnen Besucherrückgänge und parallel steigende Kosten für Unterhalt und Betrieb.

Aber das nur nebenbei.

Grundsätzlich ist zu sagen, daß alle angebotenen "Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen" zur Umwandlung von Schienenstrecken
in Radwege in der Regel das Ziel haben, einem politisch gewollten Projekt den Anschein ökonomischer Seriosität zu geben.
So kann man auch sogenannte Kosten-Nutzen-Analysen zur Reaktivierung von Bahnstrecken einordnen, sie sollen entweder eine Reaktivierung als lohnend oder eben nicht lohnend darstellen, insofern haben solche Gutachten in erster Linie eine politische Alibifunktion.
Es gibt keine wissenschaftlich seriöse Methode, die Bedeutung einer Schieneninfrastruktur zu bemessen, es sei denn man zieht die täglichen Reisendenzahlen, ermittelt durch Zählungen, heran.
Bei stillgelegten Strecken scheidet diese Methode schon aus.
Aber auch bei vielen betriebenen Strecken ist der Saldo negativ - ein defizitärer Betrieb wird aber hier in der Regel toleriert,
wiederum aus politischen Gründen.
Man könnte bei stillgelegten Strecken -bei der Frage Abbau oder Erhalt- ermitteln, was es kosten würde, diese Infrastruktur wieder zu errichten, wenn sie gebraucht würde, was aber auch einem Blick in die Glaskugel gleicht:
Wer will entsprechende Prognosen schon wagen?
Es ist auch möglich, daß bestimmte Schieneninfrastrukturen auch in ferner Zukunft unattraktiv bleiben, z.B. weil sich die Siedlungstätigkeit verlagert hat.

Es beißt keine Maus den Faden ab:
Erhalt oder Umwandlung einer Schienenstrecke ist weniger eine Frage der Ökonomie denn eine politische Frage.
Deswegen sollte man auch ehrlich sein und sich entweder zum Erhalt oder dem Abbau politisch bekennen und nicht versuchen, diese politische Entscheidung mit dem Anschein der wissenschaftlichen Exaktheit zu legitimieren.

Eines ist sicher:
Es gibt unter den erhaltenen Schienenstrecken solche, da wäre eine Reaktivierung sicherlich derzeit auch im ÖPNV erfolgreich (z.B. Zellertalbahn), solche, da wäre eine Wiederinbetriebnahme zumindest im touristischen Bereich erfolgreich (wozu ich Eifelquer- aber auch Hunsrückquerbahn zähle) und solche, da wäre zumindest der befahrbare Erhalt als ein Status, der alle Optionen offen läßt, angezeigt.
Die politisch relevanten Kräfte, aber nicht nur sie, auch die Bürger müssen nun entscheiden, was sie wollen.

Sie müssen sich aber vor allem über eines im klaren sein:
Abgebaute Schienen bringt niemand wieder, trotz der Bekundungen in Sonntagsreden und dem Gefasel von Trassensicherung u.ä.
Es gibt in ganz Europa nicht ein Beispiel, wonach die Wiederherstellung einer Schienenstrecke nach Abbau eines Radweges gelungen wäre, ja nicht einmal angedacht würde, obwohl es sehr aussichtsreiche, selbst für den ÖPNV interessante Strecken (z.B. Bodenheim-Alzey ex KBS 661) gäbe.
Der Erhalt der Trasse ist dabei nur die kleinste Übung.
Allein das Genehmigungsverfahren für einen Streckenneubau wäre nahezu aussichtslos.
SOLANGE NICHT DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ EINE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ERWIRKT UND SIE MIR PERSÖNLICH AN DER HAUSTÜR ÜBERREICHT,BLEIBE ICH BEI DER ALTEN RECHTSCHREIBUNG.
Westeifelbahner

Re: Kylltalradweg von Jünkerath nach Losheim kann gebaut werden

Beitrag von Westeifelbahner »

Rolf hat geschrieben:Ich habe diese Bezugsgröße gewählt, weil Horst Heinrich etwas weiter oben im Thread die gleiche Rechnung für Fahrradwege aufgemacht hat:
Sorry, aber das ist absurd.
Der Radweg ist 365 Tage im Jahr in Betrieb. Also müssen die jährlichen Nutzerzahlen durch 365 dividiert werden (wie es Horst Heinrich richtig gemacht hat!). Denn sonst ist das einfacher Rechenfehler, weil die Statistik wahrscheinlich auf eine durchschnittliche (gezählte oder geschätzte) Nutzung an einem Tag basiert, die dann x 365 gerechnet wurde.
Die Nutzung der Bahn ist aber 0, wenn die Bahn nicht fährt. Du kannst also aus den Fahrgästen des Gesamtjahres keine durchschnittliche Auslastung je Kalendertag berechnen, wenn die Bahn gar nicht jeden Tag fährt. Wenn am 24.12. kein Zug fährt, ist auch die Nutzung 0. Und nix anderes.

Mit Verlaub: Sollten Politiker so rechnen wie du es getan hast, dann würde das leider alle Vorurteile bestätigen.

Richtig ist einzig, was im Übrigen auch für die Efq gilt: Der Infrastrukturaufwand einer Museumseisenbahn lohnt sich nur, wenn sie so oft wie möglich fährt. Ein Betrieb mit nur wenigen Betriebstagen ist bei hohem Infrastrukturaufwand bzw. bei hohen Opportunitätskosten immer ein schlechtes Geschäft.

Und um bei der Vennbahn zu bleiben: Wenn sie denn je wirklich eine Chance gehabt hätte (was ich - wie geschrieben - aufgrund der Infrastruktursituation durchaus mit Fragezeichen versehe) dann sicher nur, wenn sie tatsächlich ähnlich wie die HSB weitgehend täglich gefahren wäre.

Gruß Westeifelbahner
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Dieselpower
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Re: Kylltalradweg von Jünkerath nach Losheim kann gebaut werden

Beitrag von Dieselpower »

Ich sagte ja, die Vennbahn wäre durch ihren Verlauf ein tolles Vorzeigeprojekt für den heutigen Moloch "EU" gewesen, aber für sowas ist ja kein Geld da....
Ich durfte sie ein einziges mal vom Zug aus mit Dieseltraktion erleben - und der Zug mit seinen plüschigen Wagen war voll!
„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
Albert Einstein
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Re: Kylltalradweg von Jünkerath nach Losheim kann gebaut werden

Beitrag von Horst Heinrich »

Dieselpower hat geschrieben:Ich sagte ja, die Vennbahn wäre durch ihren Verlauf ein tolles Vorzeigeprojekt für den heutigen Moloch "EU" gewesen, aber für sowas ist ja kein Geld da....
Kein Geld da?
Da empfehle ich mal den folgenden Imagefilm.
http://www.youtube.com/watch?v=OI3NprUFzNw
14 Millionen Euro wurden in den Vennbahnradweg verbaut, das sind umgerechnet 112.000 Euro pro Kilometer.
Ich denke für 112000 Euro Zuwendungen pro km ließe sich jede Schieneninfrastruktur zumindest mit 50 km/h befahrbar wieder herrichten.
Aber man will es nicht, der Trend geht Richtung Radweg.
SOLANGE NICHT DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ EINE EINSTWEILIGE VERFÜGUNG ERWIRKT UND SIE MIR PERSÖNLICH AN DER HAUSTÜR ÜBERREICHT,BLEIBE ICH BEI DER ALTEN RECHTSCHREIBUNG.
jojo54
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Re: Kylltalradweg von Jünkerath nach Losheim kann gebaut werden

Beitrag von jojo54 »

Horst Heinrich hat geschrieben:Aber man will es nicht, der Trend geht Richtung Radweg.
Genau so ist es, man will nicht. Und so ist es überall in der Region.
Die Eisenbahn im ländlichen Raum hat keinerlei Stellenwert, vor allem dann nicht, wenn die Gleise seit Jahren ohne Betrieb sind.
Sollen sie alle mit ihren Radwegen glücklich werden.

Bitte jetzt keine neuen, endlosen Diskussionen zu meinem Kommentar. Das bringt nichts, auch ich habe mittlerweile resigniert.

MfG
jojo54
Rolf
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Re: Kylltalradweg von Jünkerath nach Losheim kann gebaut werden

Beitrag von Rolf »

Westeifelbahner hat geschrieben:
Rolf hat geschrieben:Ich habe diese Bezugsgröße gewählt, weil Horst Heinrich etwas weiter oben im Thread die gleiche Rechnung für Fahrradwege aufgemacht hat:
Sorry, aber das ist absurd.
Der Radweg ist 365 Tage im Jahr in Betrieb. Also müssen die jährlichen Nutzerzahlen durch 365 dividiert werden (wie es Horst Heinrich richtig gemacht hat!). Denn sonst ist das einfacher Rechenfehler, weil die Statistik wahrscheinlich auf eine durchschnittliche (gezählte oder geschätzte) Nutzung an einem Tag basiert, die dann x 365 gerechnet wurde.
Die Nutzung der Bahn ist aber 0, wenn die Bahn nicht fährt. Du kannst also aus den Fahrgästen des Gesamtjahres keine durchschnittliche Auslastung je Kalendertag berechnen, wenn die Bahn gar nicht jeden Tag fährt. Wenn am 24.12. kein Zug fährt, ist auch die Nutzung 0. Und nix anderes.

Mit Verlaub: Sollten Politiker so rechnen wie du es getan hast, dann würde das leider alle Vorurteile bestätigen.
Ich versuche gerade, die Gedankengänge der Entscheidungsträger nachzuvollziehen. Das arithmetische Mittel ist selbstverständlich ein theoretisches Konstrukt, das entsprechend kritisch zu würdigen ist (ich könnte jetzt anmerken, dass der Fahrradweg praktisch auch nur im Sommer genutzt wird und im Winter fast gar nicht, aber das führt nur weiter in die falsche Richtung). Dann gehen wir doch einfach wieder zurück zu den absoluten Zahlen (was dann aber auf das gleiche raus kommt). Halten wir erst mal fest, worum es geht: Die Vennbahn und die anschließende Kylltalbahn wurden für einen Güterverkehr gebaut (Kohle und Erz), der schon sehr lange Geschichte ist, ebenso wie der militärische Hintergrund, der einst sogar lebensverlängernd war. Die Strecke war ja schon 1983 stillgelegt und wurde 1986 nur für militärische Transporte reaktiviert (die Holztransporte nach Losheim und Büllingen waren eine nette Zugabe, aber bei weitem nicht existenzsichernd). ÖPNV war immer nur eine Randerscheinung und ist schon seit Ewigkeiten eingestellt. Was bleibt als (aktuelle) Existenzberechtigung der Strecke? Die touristische Bedeutung einer wunderschönen Strecke in wunderschöner Landschaft! In der Eifel setzt man mangels Alternativen auf den Tourismus. Entscheidungsrelevant ist für jeden Kommunalpolitiker daher die Frage, wie viele Touristen die Bahn bringt und wie viele Touristen der Fahrradweg. Und das zu jeweils welchen Kosten. Und da stehen 20.000 „Beförderungsfälle“ bei der Vennbahn gegenüber prognostizierten 57.000 Fahrradfahrern, die man sich auf Basis der Zahlen zum MMR erhofft. Ich war Dienstag, nicht zuletzt aus Interesse an den Nutzerzahlen, mal wieder auf dem MMR unterwegs und habe gezählt: man kommt an diesem durchschnittlichen, er kalten und leicht regenschwangeren Sommertag tatsächlich, zu meiner Überraschung, schnell auf 70 Fahrradfahrer und mehr pro Stunde. Es könnten am Dienstag, so mein Eindruck, weitaus mehr als 500 Nutzer gewesen sein, vielleicht sogar 1000. Ich halte die Prognosen zum Kylltalradeweg auf Basis der Erfahrungen und Beobachtungen der letzten Tage (MMR, Losheim-Büllingen) daher für einigermaßen plausibel. Der Kylltalradweg hat m. E. sogar noch viel mehr Potential als der MMR: Eine sehr gute Anbindung an die Bahn (Jünkerath, Aachen, dann auch in Belgien und Luxemburg), ein weit verzweigtes Netz, und viele Orte und Attraktionen unterwegs laden ein. 60.000 und mehr Fahrradfahrer könnten schnell zusammen kommen, womöglich sogar deutlich mehr.

Was hat dagegen die Vennbahn gebracht? 20.000 „Beförderungsfälle“ im Jahr. Der weitaus größte Teil der Fahrgäste bestand aus Touristen, die von Raeren nach Büttgenbach gefahren sind. Einmal täglich am Wochenende. Die Züge waren immer recht voll, wie ich es selbst mehrfach erlebt habe, als zweimaliger Mitfahrer und als mehrfacher Beobachter von außen. Die Unterwegshalte waren weitgehend bedeutungslos. Hier stieg fast niemand ein oder aus. Lediglich in Monschau gab es gelegentlich ein paar Ein- und Ausstiege. Die Masse fuhr bis Büttgenbach und musste sich dann dort ein paar Stunden vergnügen. Um 1999 habe ich mit meiner damaligen Freundin das Spiel miterlebt und dabei interessante Erfahrungen gesammelt. Zunächst haben wir noch das Umsetzen in Büllingen mitgemacht und sind dann etwas später als die Masse in Büttgenbach auf die Suche nach einem Restaurant gegangen. Dabei habe ich Erfahrungen gemacht, die ich bis dato nur aus der DDR kannte: In den Hotel- und Gastronomiebetrieben der Bahnhofsumgebung war kein Platz zu bekommen – ohne Reservierung war nichts zu machen. Schließlich sind wir (mangels Ortskenntnis) in einer zweitklassigen Pommesbude gelandet. Ich hatte bei der Gelegenheit auch das Gespräch mit einer Gastwirtin gesucht. Zu meiner Überraschung sagte sie, dass sie die „Horden“, die die Vennbahn einmal pro Woche ankarrt, überhaupt nicht braucht. Für zwei Stunden sei dann Hochbetrieb, wofür sie kaum Personal bekomme, und die Stammgäste würden dadurch auch noch vergrault. Sie könne gerne auf diese „Invasion“ und die damit verbundenen Unbequemlichkeiten verzichten. Ich war damals sehr überrascht und enttäuscht von dieser negativen Haltung zur Vennbahn. Nach einigen weiteren Gesprächen leuchtet mir der Standpunkt der Dame inzwischen ein.

Bei den 20.000 Beförderungsfällen gehe ich davon aus, dass jeder Fahrgast nach Büttgenbach 2x gezählt wurde, einmal auf der Hinfahrt und einmal auf der Rückfahrt. Da fast alle dort hin und zurück gefahren sind, haben wir Netto nicht viel mehr als 10.000 Touristen, die in die Gegend gekommen sind. Und zwar eigentlich nur nach Büttgenbach. Die Stationen unterwegs hatten praktisch nichts davon, bis auf Monschau, wo es etwas Nachfrage gab.

Bei Fahrradfahrern kommt es zwar auch vor, dass sie hin und zurück fahren und dann 2x gezählt werden, aber die meisten Radtouristen werden die Strecke in eine Richtung befahren. Schon allein wegen der Länge.

Und nun versetzen wir uns wieder in den Kommunalpolitiker: Radweg oder Vennbahn? Bei der Vennbahn bekommt die Region einen schönen Zug, der einmal am Tag am Wochenende punktuell Massen liefert, sonst aber gar niemanden. Insgesamt etwas über 10.000 Touristen, wie ich mal vermute. Alternativ bekommt der Lokalpolitiker beim Fahrradweg 40.000, 50.000, 60.000 oder sogar mehr Touristen, die unterwegs hungrig werden, verköstigt werden müssen und auch oft Übernachtung benötigen, weil die Strecke nebst Abzweigungen einfach zu lang ist, um an einem Tag bewältigt zu werden. Im Gegensatz zu „Invasion“ durch die Vennbahn kommen die Fahrradfahrer zudem verteilt über den ganzen Tag und über die ganze Saison und sie verteilen sich zudem auf die ganze Strecke, so dass eine viel bessere Auslastung der touristischen Infrastruktur gewährleistet ist. Und viel mehr Betriebe profitieren, und so sind die Profiteure den Politikern, die dies ermöglichen, entsprechend dankbar.

Dann noch die Kosten: Der Fahrradweg kostete etwas über 14 Mio. Euro, von denen die DG wahrscheinlich nur einen Bruchteil stemmen musste, weil es so großzügige Fördertöpfe gibt. Die Restaurierung der Bahnstrecke wäre sicher deutlich kostenintensiver gewesen, da sie völlig runtergefahren war und eher an albanische Verhältnisse erinnerte als an zentraleuropäische.

Wer will es vor diesem Hintergrund der Lokalpolitik vorwerfen, den Fahrradweg der Bahn vorgezogen zu haben? Ich nicht. Ich kann die Leute verstehen und möchte mich ausdrücklich nicht der pauschalen Politikerbeschimpfung anschließen.

Die Rahmenbedingungen sind nun mal sehr ungünstig für Touristenbahn in der Region. Bund und Land lassen die Kommunen doch hängen mit den regionalen Bahnen. Und solange das so ist, kann man der Lokalpolitik doch keinen Vorwurf machen, wenn sie nach der verlockenden Alternative greift.

Ich stimme mit Horst Heinrich überein, dass die Bahninfrastruktur ein Wert an sich ist, dessen Erhalt staatlicher Auftrag sein müsste. Der Bund tut aber gar nichts für Strecken wie die Vennbahn und die sich anschließende Kylltalbahn. Und das Land tut zu wenig, weil es nicht kann und/oder nicht will. Und für die Kommunen ist der Aufwand zu groß und man ist damit in jeder Hinsicht überfordert. Also nehmen die Kommunen den „günstigen“ Fahrradweg. Man könnte auch sagen, sie nehmen den Spatz in der Hand anstelle der Taube auf dem Dach.

Nochmal, ich bedauere es zutiefst, dass die Vennbahn gescheitert ist. Aber so, wie die Rahmenbedingungen derzeit sind, hatte die Vennbahn keine Chance. Leider!

Ich kann nur hoffen, dass es andernorts besser läuft. Zum Beispiel im Hunsrück. Ich drücke die Daumen!
Westeifelbahner

Re: Kylltalradweg von Jünkerath nach Losheim kann gebaut werden

Beitrag von Westeifelbahner »

@Rolf:
Die Berechnung von 54 Fahrgästen pro Tag beim Bahnbetrieb gegenüber 180 Nutzern des Radweges pro Tag war, ist und bleibt einfach mathematischer Unfug.
Darüber, dass 20.000 Fahrgäste pro Jahr für eine Infrastruktur wie die Vennbahn nicht viel sind, braucht man eigentlich gar nicht zu diskutieren. 20.000 Fahrgäste sind weit weniger als zukünftig Radfahrer durchs Venn strampeln werden (oder es schon tun).
Trotzdem vergleicht man hier Äpfel mit Birnen, wenn man eine "Light-Light-Version von Bahnbetrieb" mit einem "Premiumradweg" vergleicht. Unter anderen Rahmenbedingungen wären auch mehr Menschen mit der Vennbahn gefahren.
Jetzt könnte man mit "was wäre wenn..." anfangen.
Doch das bringt nix. Die Vennbahn war - anders als Eifelquerbahn, Westeifelbahn, Hunsrückquerbahn oder Brex - in einem Infrastrukturzustand, das sich das erübrigt.
Gruß Westeifelbahner
Westeifelbahner

Re: Kylltalradweg von Jünkerath nach Losheim kann gebaut werden

Beitrag von Westeifelbahner »

Westeifelbahner hat geschrieben:@Rolf:
Die Berechnung von 54 Fahrgästen pro Tag beim Bahnbetrieb gegenüber 180 Nutzern des Radweges pro Tag war, ist und bleibt einfach mathematischer Unfug.
Darüber, dass 20.000 Fahrgäste pro Jahr für eine Infrastruktur wie die Vennbahn nicht viel sind, braucht man eigentlich gar nicht zu diskutieren. 20.000 Fahrgäste sind weit weniger als zukünftig Radfahrer durchs Venn strampeln werden (oder es schon tun).
Trotzdem vergleicht man hier Äpfel mit Birnen, wenn man eine "Light-Light-Version von Bahnbetrieb" mit einem "Premiumradweg" vergleicht. Unter anderen Rahmenbedingungen wären auch mehr Menschen mit der Vennbahn gefahren.
Jetzt könnte man mit "was wäre wenn..." anfangen.
Doch das bringt nix. Die Vennbahn war - anders als Eifelquerbahn, Westeifelbahn, Hunsrückquerbahn oder Brex - in einem Infrastrukturzustand, das sich das erübrigt.
Gruß Westeifelbahner
Ergänzung: Ich bin beispielsweise so einer, der unter anderen Rahmenbedingungen viel mehr mit der Vennbahn gefahren wäre. Mich hat diese Bahnstrecke immer gereizt, aber sie war für mich - trotz geopgraphischer Nähe - schlecht bis desolat erreichbar. Eine Anbindung ab/bis Jünkerath bzw. Bw Gerolstein, wie in den 90er immer geplant, und ich fähre sicher oft auf der Vennbahn unterwegs gewesen.
Rolf
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Re: Kylltalradweg von Jünkerath nach Losheim kann gebaut werden

Beitrag von Rolf »

Westeifelbahner hat geschrieben:...Trotzdem vergleicht man hier Äpfel mit Birnen, wenn man eine "Light-Light-Version von Bahnbetrieb" mit einem "Premiumradweg" vergleicht. Unter anderen Rahmenbedingungen wären auch mehr Menschen mit der Vennbahn gefahren.
Aber genau diese Abwägung zwischen "Äpfeln und Birnen" muss ein Lokalpolitiker doch durchführen. Auf der einen Seite steht die Vennbahn mit 20.000 "Beförderungsfällen" und real vermutlich um die 10.500 Touristen, die punktuell am Ziel einfallen ("Apfel"), auf der anderen Seite der "Premiumradweg" mit (geschätzt) real 40.000 oder vielleicht sogar deutlich mehr Touristen, die Geld ins Land bringen ("Birnen"). Dann stellt der (Lokal-)Politiker noch die Kosten gegenüber: Den Premiumradweg bekommt er recht preisgünstig, da gefördert, die Bahn eben (leider) nicht; im Gegenteil, die Vennbahn war ein Fass ohne sichtbaren Boden. Den Fahrradtourismus kann man zudem unter modischen Schlagwörtern wie "Nachhaltigkeit", "sanfter Tourismus" und "ökologisch" super verkaufen, im Gegensatz zu qualmenden und Feinstaub emittierenden Loks (ich persönlich halte diese "modischen" Etikettierungen zwar für ziemlich dämlich, aber sie "ziehen" nun mal). Und wenn der Sprit eines Tages wirklich 5 Euro pro Liter oder mehr kostet, wird der Bahntourismus, der mit fossilen Energieträgern (Kohle, Diesel) betrieben werden muss, ganz erheblich kostenintensiver und damit zunehmend teuer. Der Fahrradtourismus nicht. Im Gegenteil, er wird von steigenden Spritkosten sogar profitieren. Kurzum: Alles spricht aus Sicht der Lokalpolitik für die "Birnen" und gegen die "Äpfel". Ob man will oder nicht (ich will es nicht, sehe aber schweren Herzens ein, dass die Argumente für die Lokalpolitik gegen die Bahn sprechen). Die Lokalpolitiker handeln also völlig rational und ihnen ist daher kein Vorwurf zu machen.

Ursächlich ist m. E. die falsche Weichenstellung der Bahnreform. Der Bund hat sich weitgehend aus der Verantwortung gestohlen für die Strecken in der Provinz (was auch schon die gelegentlich verklärte Bundesbahn getan hat mit ihrer unsäglichen, willkürlichen Stilllegungspolitik). Nur der Bund hätte aber die finanzielle Kraft, auch die peripheren Bahnstrecken als bedeutende Säulen der staatlichen Infrastruktur zu erhalten. Der Bund müsste den Ländern daher ganz einfach (zweckgebunden) mehr Geld zur Verfügung stellen, dann wären auch mehr Nebenstrecken zu retten.

Meine Idealvorstellung ist ohnehin, dass sich Bahn- und Fahrradtourismus ergänzen (vielleicht wird die Westeifelbahn in dieser Hinsicht ja mal - erzwungenermaßen - ein wegweisendes Modell). Die ehemals zweigleisigen Strecken der Eifel eignen sich eigentlich hervorragend dafür. Ein Gleis bleibt erhalten (oder rekonstruiert), das andere dient als Fahrradweg. Die Bahn transportiert die Touristen in die eine Richtung, die Fahrradfahrer fahren in die andere zurück. Oder umgekehrt. Am Morgen fährt ein Frühzug die Touristen zu ihrem Wunschziel, am Ende sammelt ein "Lumpensammler" die müden Fahrradfahrer wieder ein und bringt sie nach Hause oder zum Hotel. Und im Tagesverlauf kann an immer mal wieder zu- und aussteigen. Je nach Lust und Laune, Kondition oder Wetterlage. Der Zug hält ausreichend Platz für Fahrradfahrer vor und die Bahn verleiht im Idealfall an den Bahnhöfen sogar Fahrräder für Abstecher. Ein paar Holzzüge und ein paar gewöhnliche Reisende kämen als willkommene Zugabe noch hinzu. Möglichkeiten der gegenseitigen Ergänzung gibt es genug. Beide Seiten könnten enorm voneinander profitieren. So meine Idealvorstellung. Leider ist diese Idee noch viel kostspieliger und damit wird sie auf absehbare Zeit (!) wohl ein Wunschtraum bleiben.

Aber: Wenn der Sprit eines Tages 10 Euro pro Liter kostet, und der Tag wird kommen, früher oder später, wird der Urlaub auf Mallorca ganz schön teuer und für viele Menschen unbezahlbar werden. Beim Fliegen sind, im Gegensatz zum bodengebundenen Verkehr, alternative Antriebe nicht in Sicht; ohne fossile Energieträger kein massenhafter Flugverkehr! Wenn das Öl immer teurer wird, wird auch der Urlaub in der Heimat wieder einen höheren Stellenwert bekommen und sicher auch die touristische Bahn in der Peripherie (beim Individualverkehr ist das Auto in der dünn besiedelten Provinz dagegen nicht zu schlagen, auch nicht in Zukunft: Alternative Antriebe sind längst auf dem Weg und werden schrittweise marktreif). Das Ende der fossilen Energieträger wird sicher noch eine gewisse Zeit auf sich warten lassen; aber es wird kommen. Bis dahin gilt es: Trassen sichern! Ich bin daher immer ganz froh, wenn Fahrradwege wie der auf der Vennbahn so angelegt sind, dass das zweite Gleis eines Tages wieder verlegt werden kann. Noch ist es nicht so weit, da hat Horst Heinrich Recht, aber der Tag könnte kommen. Aus den genannten Gründen! Wir werden es wohl nicht mehr erleben, bis der letzte Tropfen Öl aus de Erde gequetscht ist, aber vielleicht sind unsere Nachfahren ja eines Tages froh, dass die Kunstbauten und Trassen der alten Bahnstrecken erhalten und sogar (für Fahrradwege) saniert wurden, um dann dort wieder Schienen zu verlegen. In Belgien achtet man sehr darauf, dass die Fahrradwege wieder in Bahntrassen umgewandelt werden könnten. In Deutschland leider nicht immer. Am MMR oder der oberen Ahr beispielsweise sind die Filetstücke (Bahnhöfe) rausgerissen, und damit ist die Zukunft endgültig verbaut. Das finde ich besonders tragisch!
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